Philosophisches

Was passiert, wenn Philosophen arbeitslos werden?

Ziemlich schlechte Karten hätte da vermutlich (nur als Beispiel) ein gewisser Herr Birger Priddat aus Leuna, zu dessen Lieblingsthemen z.B. Theoriegeschichte der Ökonomie und Theorie der Arbeit gehören. Wohlgemerkt Theorie, aber der Herr verdient damit offensichtlich ganz gut und hat’s sogar bis zum Präsidenten einer privaten Uni gebracht. Und womit? Mit Denken. Ich denke auch gerne.
Nachdem ich versucht habe, Herrn Priddat ein gefühltes halbes Jahr lang zuzuhören, konnte ich nichts anderes mehr denken, als dass er zumindest partiell stark nihilistisch veranlagt ist: “Kreativität bringt eine Gesellschaft nicht weiter”und auch gerne und oft wiederholt, dass er keinesfalls mit seinen Händen arbeiten möchte, sondern ausschließlich mit Kopf. Und dem Mund, aus dem die zusammengefasste Hirnarbeit heraus möchte.
Vermutlich stehen ihm ausreichend hohe Honorare zur Verfügung, weshalb er sich noch nicht mal eine Schmalzstulle selbst schmieren wird, und die höchste Steigerung dessen, was er garantiert nie machen will, ist: “Hemden bügeln”. Das überlässt er lieber dem professionellen Fachpersonal. Und er versteht auch nicht, wie man es schön finden kann, selbst zu kochen oder – oh Graus – als Laie ein Stück Holz zu zersägen! Das anfängliche Kunststudium und die Arbeit auf einer Werft haben bei ihm offenbar sehr unangenehme Erinnerungen hinterlassen.

Ziemlich schlechte Karten hat dagegen Ralph Boes. Ebenfalls studierter Philosoph, bügelt er seine Hemden selbst, hat’s mit der Unterlassung der Essenszubereitung auch mal versucht, aber aus anderen Gründen. Er schlägt sich mit einem Berliner Jobcenter herum, dessen Mitarbeiter überhaupt nicht verstehen, warum er tatsächlich als Philosoph arbeiten, zu gut bezahlten Honoraren in Gesprächsrunden eingeladen oder Vorträge halten will, statt irgendeinen unqualifizierten “Ein-Euro”-Job* anzutreten oder vielleicht eine Umschulung zu machen.

Und nun eine Frage:
Woran misst man die Qualität philosophischer Gedanken um z.B. ihre Äußerung angemessen zu honorieren?

*) “Ein-Euro”-Jobs, bzw. Arbeitsgelegenheiten (AGH) mit Mehraufwandentschädigung (MAE) müssen unqualifizierte Tätigkeiten beinhalten, egal welche Qualifikationen der Ausführende mit sich bringt: z.B. Stühle rücken, Karten abreißen, Schmutz im öffentlichen Straßenland begutachten. Würde der Arbeitslose Akademiker seiner Qualifikation entsprechend zu einer AGH mit MAE geschickt werden, könnte der Eindruck entstehen, dass der Arbeitsplatz eines ordentlich bezahlten Angestellten verdrängt wird. Seltene Ausnahmen sind natürlich nicht ausgeschlossen.
Die Alternative: die ”Ein-Euro”-Jobs existieren nur in der Parallelwelt der Arbeitslosenwirtschaft und an dafür extra eingerichteten Orten, abgeschottet von der realen Welt, an denen eine Art Arbeitstherapie praktiziert wird, die sich von der in Behindertenwerkstätten nur marginal unterscheidet. Auch hier sind seltene Ausnahmen natürlich nicht ausgenommen. Es kann in diesen Einrichtungen allerdings auch passieren, dass man bei mangelner Auftragslage aufgefordert wird, seinen Laptop oder Kreuzworträtsel mitzubringen, um die Langeweile zu vertreiben (hab ich mir erzählen lassen). Alternativ könnte man doch auch ein Philosophiewerkstattgespräch zum Thema ‘Laubpusten als apodiktische Gewißheit in den Paradigmen des 3. Jahrtausends‘ anregen.

Anhang:
• Mehr Infos zu Herrn Boes und seinen Ideen in Bild , Freitag und bei der, von ihm gegründeten Bürgerinitiative.
• Mehr Infos zu Herrn Priddat? Bestenfalls in Form von Monografie-Listen, aber für Gedanken und Inhalte muss man die Bücher kaufen. Oder ihn selbst als Redner bestellen. Im Spiegel gibt es drei Verweise, weil er mit den Finanzen seiner Uni nicht klargekommen ist. Über seine Zeit als Berater von G. Schroeder gibt es offenbar auch nichts interessantes zu berichten und hier ist ein Interview, aus dem mir gleich ein gelungener Satz ins Auge stach: “Dieses Problem kann man nicht leicht lösen. Es kann nur gelöst werden durch Kooperation. Kooperationen kriegen Sie nur durch Kooperationen hin.”
Sternstunde Philosophie (Selbstgemacht! — Vom (Un)wert eines Ideals [4/4] )

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